Uwe Friesel

  Aktuelles

Nach fast vierzehn Jahren Stockholm kam ich im eisigen Februar 2010 in die Baumkuchen- und Hansestadt Salzwedel in der Altmark, dem nördlichsten Zipfel von Sachsen-Anhalt.Viele hier leben von Hartz IV oder müssen jeden Tag ein bis zwei Stunden Fahrzeit nach Wolfsburg oder Uelzen in Kauf nehmen, um arbeiten zu können.

 

 

Da es in Salzwedel kein Geld für Literatur gibt, geschehen Lesungen meist auf Gratis-Basis: Auch nicht das, was wir als VS uns vorstellen.

Doch im  Februar 2015 wurde hier auf Initiative des ehemaligen Kulturministers von Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Reck, ein seltener Festakt gefeiert, zur Erinnerung an den ersten gesamtdeutschen Schriftstellerkongress vor fast 25 Jahren in Travemünde. Dazu schreibt die Stadt Salzwedel, plötzlich aufmerksam, auf ihrer Homepage:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leider musste ich eine Einladung aus Berlin zum VS-Jubiläumskongress in Aschaffenburg abschlagen. Wir, die wir die ganzen 50 Jahre noch überblicken, jedoch NICHT im Berliner Vorstand mitarbeiten, wurden nie gefragt. Schon das Motto LITERATUR UNTER STROM ist eine derart verquere Metapher, dass man auf allerlei unbotmässige Gedanken kommt, zum Beispiel: auch der ICE steht unter Strom – doch verhindert das seine ständigen Verspätungen?
Da nun aber Ironie inzwischen verboten ist, hier Klartext: Die Frage, ob der Computer unser Schreiben verändert hat (und wenn ja, wie?), ist allenfalls ein Thema für eine Fachkonferenz oder ein Oberseminar. Sie kann keineswegs 50 Jahre VS umschreiben  und ist gerade im politischen Kontext von heute völlig ungeeignet. – Die Herleitung aus der Frage: „Brauchen wir eine neue Reformation?“ halte ich angesichts der mittelalterlichen Positionen Luthers gegenüber Bauern und Juden für völlig unangemessen. Gewerkschaftlicher Hintergrund sieht anders aus.   
Hier mein Ablehnungsbrief, ehe anderes dazu in die Welt gesetzt wird:

 

UWE FRIESEL     HOLZMARKTSTR. 32 b      DE-29410 SALZWEDEL
friesel.uwe@gmail.com

 

Eva Leipprand, VS-Bundesvorsitzende
Valentin Döring, Bereichsleiter Ressort 03, Fachbereich 08 in ver.di
Paul-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin

 

Betr.:  5. Fachgruppenkonferenz Literatur im VS-Bundeskongress 15./16.02.2019
Bez.:                     Eure Einladungen vom 07.01.2019

 

16. Januar 2019

 

Liebe Eva Leipprand, lieber Valentin Döring:

danke für die Einladung, als Gast bei der Bundesfachgruppenkonferenz der Übersetzer während des VS-Jubiläumskongresses dabei sein zu dürfen.
Nur habe ich das literarische Übersetzen schon vor Jahrzehnten aufgegeben – meine schwierigen Übersetzungen von Nabokov, Updike, Ben Jonson u.a. entstanden noch vor der Computerzeit... So kommt diese plötzliche Einladung der Bundessparte Übersetzer  –  sagen wir  – etwas überraschend.

„Zum 50jährigen Bestehen eine starke Stimme gegen Rechts zu sein, lieber VS in ver.di – wie notwendig ist das leider nach wie vor“, schreibt Konstantin Wecker in seinem Grußwort.  Und Elfriede Jelinek fügt hinzu: „Die Polarisierung (...) kann nur bestehen, indem die einen (...) de anderen als Gegner eben anerkennen müssen. Nur so entstehen zwei ordentliche Fronten.“

So ist es.

Ich vermag in der wichtigen, aber fachbezogenen Diskussion über Computer den Blick auf diese zentralen Themen und die gesellschaftliche Signalfunktion, die derzeit von einem Schriftstellerkongress ausgehen muss, nicht zu erkennen.
Eine Podiums-Befragung von fünf Minuten mit dem Tenor „Wie war das damals?“ lohnt ebenfalls eine sechsstündige Bahnfahrt mit mehrfachem Umsteigen nicht.

Deshalb sage ich hiermit meine Teilnahme ab.

Beste Grüße, UF

 

 

Bin ich aber in Sachsen-Anhalt als Wessi schon angekommen?

Ende September 2013 habe ich bei den 22. Literaturtagen von Sachen-Anhalt ein Referat zu Gottfried August Bürger halten. Den kennt man ja im Westen meist nur als Dichter der "Lenore". Dabei war er ein eminent politischer Verfechter der Ziele der Französischen Revolution. Nachzulesen in meiner Lyrik-Antho Noch ist Deutschland nicht verloren.

Dann, im September 2015, las ich bei den 24. Literaturtagen an der Harz-Hochschule Wernigerode aus meinem Essayband Zwischen allen Stühlen ist der Platz des freien Autors. Hier wollte das Publikum beim Thema Vereinigung mehr das Helle sehen als die Schatten.

Einer dieser Schatten bleibt aber, dass wir gar kein gemeinsames Grundgesetz haben, sondern dass die DDR damals nach der Saarlandklausel der BRD beitreten musste. Somit konnten die, die die friedliche Revolution gemacht hatten, ihre eigenen Ideen in den neuen Staat gar nicht einbringen.

Am 8. Oktober 2015 in Magdeburg ging es erneut um diese Fragen

 

 

Inzwischen haben sich die politischen Prozesse beschleunigt: Pegida, AfD, – fast 1000 Gewalttaten gegen Muslime, brennende Asylantenheime. Die schlimme Vorbild-Funktion Trumps. Das Auftrumpfen von Putin und Erdogan. Gewalttaten von Muslimen. Neuer Antisemitismus. Man kommt kaum nach.

Am 24. Februar  2018 hatte ich eine Lesung in der VS-Literaturkantine in Hamburg: Abenteuer Lyrik - Gedichte aus fünf Jahrzehnten. "Mit seiner Auswahl zeigt Friesel, wie Lyrik politische Ereignisse aufgreifen und kommentieren kann. Das UNESCO-Projekt einer afrikanischen Schreibmaschine in Dakar, die Gründung der internationalen Literaturzentren Visby und Rhodos runden das Abenteuer Lyrik ab."

Ich bin also wieder im Politischen gelandet. Vielleicht würde ich lieber anderes und anders schreiben. Doch die Umstände, die sind nicht so:


Salzwedel, 2. Oktober 2013, nachts

Im Jahr '39 ward ich geboren,
nackt und kahlgeschoren
Und ziemlich blau im Gesicht.

Ich lag auch nicht sehr stille.
Mir fehlte gänzlich der Wille,
mich richtig zu benehmen
und mich fürs Schreien zu schämen.
Nein, schämen tat ich mich nicht.

Das tat ich erst sehr viel später
im Land der vergesslichen Väter
die waren so brav und so bieder
statt "Heil und Sieg!"
nie wieder Krieg.
Da schrie ich plötzlich wieder,
Doch diesmal vor Scham und vor Wut:
Auch ich war ja ihre Brut!
War ja selbst aus dem Land der Täter,
dem Land der vergesslichen Väter!

Mit traumatisiertem Schädel
Laufe ich nachts durch Salzwedel,
Seh hinter zerbröselnden Mauern
Die Hakenkreuz-Sprayer lauern.

 

Zurück

 

 

 

 

 

 

Literarische Texte

Jugendstil (deutsch)

Art Nouveau (english)

Jugendstil (svenska)

Lyrik

Die Muskeltiere

Reden & Essays (deutsch)

Essays (english)


Literarische Projekte

E-Buch-Verlag Expeditionen
& Edition Literaturkarawane
(deutsch)

Das zweite Bosnien-Projekt (deutsch)

Literarische Spaziergänge (deutsch)

Leben, Liebe, Zeit und Vergänglichkeit
(Ein Multi-Media-Projekt, deutsch)

Pfeile im Köcher (deutsch)

 

Sekundärliteratur

Sekundärliteratur / Reference books
und Pressestimmen / Press reviews

Home | Biografie | Bibliografie | Aktuelles | Kontakt | Links | Copyrights | Impressum

Schriftsteller / Author

Ein großer Abend für Uwe Friesel, für die Kultur und für die Hansestadt Salzwedel

"Wenn ich noch einmal von vorne beginnen könnte, würde ich mit dem Kopf fühlen - und mit dem Herzen denken wollen! - Dem sind Sie, lieber Herr Friesel, sehr nahe gekommen!"

 

                    Björn Engholm bei seinem Festvortrag
  

"Mit dem Kopf fühlen und mit dem Herzen denken"

Mit diesem Zitat des nordirischen Musikbarden Van Morrison und einem persönlichen Fazit endete der vielbeachtete Festvortrag von Björn Engholm, Bundesminister a.D., am 10.02.2015 zu Ehren des Schriftstellers Uwe Friesel im voll besetzten Kulturhausfoyer. Friesel, der seit einigen Jahren in Salzwedel, war auch der erste Präsident des ersten "gesamt-deutschen" Schriftstellerverbandes, der vor knapp 24 in Travemünde zusammenkam. Gastgebender Ministerpräsident und Redner damals - Björn Engholm. Grund genug für die drei organisierenden Initiatoren des Abendveranstaltung, Knut Markuszewski und Knut Schwarting, Bürgermeister a.D. aus Bad Bevensen bzw. Lüchow, sowie Karl-Heinz Reck, Kultusminister a.D. aus Salzwedel, Engholm für einen Vortrag in Salzwedel zu gewinnen.

Björn Engholm, der Hanseat aus Lübeck, würdigte Uwe Friesel als "Glücksfall" für die Schriftsteller in Ost und West bei ihrem Zusammengehen in der Zeit nach der politischen Einheit Deutschlands: "Das war eine schwergewichtige Aufgabe!"

Diesen Gedanken griff auch der Lüchower Axel Kahrs auf: "Friesel ist ein Zehnkämpfer!" Kriminalautor, Hörspielautor, Fernseh-Dramaturg, Theatermann, Literatur-Historiker, geschätzter Übersetzer, Herausgeber von Sammelbänden, Verleger, ideengebender und anpackender Macher, Literatur-Kritiker.
Der Abend wurde durch hochkarätig-abwechslungsreiche Musik des Blockflötentrios "TriTonus Hamburg" umrahmt.

Chapeau! an die Veranstalter.